Zyklusbasiertes Training: Wie du dein Krafttraining an deinen Zyklus anpassen kannst

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Gastbeitrag von Jennifer Gutwald (B.A. Bewegung und Ernährung, M. Sc. Medizin, Ernährung und hormonelle Gesundheit bei Frauen i.A.)

Nicht nur auf den Trainingsflächen der Fitnessstudios, sondern auch in der Forschung gewinnt das Thema Zyklus im Sport immer mehr an Aufmerksamkeit. Doch wieso sollten wir zyklusbasiert trainieren? Jennifer Gutwald ist Trainerin sowie Expertin für die weibliche Physiologie und sagt: “Ein Krafttraining mit Berücksichtigung der Zyklusphasen betont die weibliche Leistungskurve, reduziert das Verletzungsrisiko während der Sporteinheit und beugt Übertraining vor. Das kann dazu beitragen, dass Sportlerinnen mehr Motivation und Freude am Training finden und längerfristig ihre Ziele im Kraftraum erreichen!” Hier erfährst du, wie zyklusbasiertes Krafttraining funktioniert und du dein Training an deinen Zyklus anpassen kannst.

Was sind die Grundlagen des zyklusbasierten Krafttrainings? 

Im Kraftsport gibt es 4 Komponenten, die das “Design” einer Trainingseinheit bestimmen:

  • Reizintensität (Gewicht) 
  • Reizdauer (Wiederholungsanzahl)
  • Reizdichte (Satzpausen)
  • Reizumfang (Satzanzahl)

Aus diesem Belastungsgefüge ergeben sich unzählige Möglichkeiten, ein Training zu gestalten. Im Krafttraining gibt es also viel Spielraum, den Menstruationszyklus in die Trainingsplanung mit einfließen zu lassen.

Die Zyklusphasen im Überblick

Wusstest du, dass der Menstruationszyklus genau genommen aus nur zwei Phasen besteht? Die erste Phase ist die Follikelphase und startet mit dem Tag der Blutung (Zyklustag 1). Bereits während der Menstruation setzt die Eibläschenreifung ein und später steigt der Östrogenspiegel immer weiter an. Die Dauer der Follikelphase ist variabel und endet mit dem Eisprung. Sobald der Eisprung stattgefunden hat, beginnt die zweite Zyklusphase, nämlich die Lutealphase. Sie ist durch einen exponentiellen Anstieg des Hormons Progesteron gekennzeichnet und dauert in der Regel 12-16 Tage. Wirft man einen Blick auf die Konzentration der Sexualhormone während des Zyklusverlaufs, gibt es aber doch noch einige Besonderheiten, die vor allem für das Training relevant sind. Deshalb schauen wir uns im Folgenden den Zyklus etwas genauer an:

Menstruation

Mit der Menstruation beginnt ein neuer Zyklus. Die Dauer der Blutung ist von Frau zu Frau unterschiedlich. Man spricht jedoch von einer gesunden Menstruation, wenn sie in normaler Stärke auftritt, nicht mit Schmerzen verbunden ist und etwa 3-5 Tage andauert. 

Sport während der Periode, ja oder nein?

Aus rein biologischer Sicht gibt es keinen Grund, während der Menstruation auf Sport zu verzichten. Ganz im Gegenteil: die ersten paar Tage des Zyklus bieten hormonell gesehen bereits eine gute Ausgangslage für (intensives) Krafttraining. Treten während der Blutung jedoch Schmerzen auf (Dysmenorrhoe), sind die betroffenen Personen mit einer lockeren Bewegungseinheit oft besser bedient. 

Worauf sollte ich beim zyklusbasierten Krafttraining während der Periode achten?

Für manche Frauen sind Übungen wie Hüftheben (engl. Hip Trusts) oder Rumänisches Kreuzheben mit Band (engl. banded Romanian Deadlifts) während der Periode unangenehm, da Druck auf den Unterleib ausgeübt wird. Je nach Erfahrung und subjektivem Empfinden sollte dies in der Trainingsplanung für die ersten Zyklustage berücksichtigt werden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Übungen, bei denen unter korrekter Ausführung ein hoher intraabdominaler Druck entsteht, beispielsweise bei Kniebeugen (engl. Squats), beim Kreuzheben (engl. Deadlift) oder Schulterdrücken (engl. Military Press). In Kombination mit einem Gewichthebegürtel1 ist das für manche Frauen ebenfalls mit Unannehmlichkeiten verbunden. Grundsätzlich ist der weibliche Körper sehr robust und belastungsfähig, auch während der Periode. Daher spricht erst mal nichts gegen bestimmte Übungen oder die Verwendung eines Gürtels. Aber auch hier gilt: Das subjektive Empfinden darf durchaus Entscheidungsgrundlage für die  Trainingsplanung der Menstruationsphase sein. 

Follikelphase 

Im Laufe der Follikelphase steigt der Östrogenspiegel zunehmend an und findet seinen höchsten Punkt kurz vor dem Eisprung. Östrogen reguliert nicht nur den Zyklus, sondern wirkt sich auch auf die Psyche aus: es verbessert sowohl die Stimmung als auch die kognitive Wahrnehmung und unterstützt bei der Stressbewältigung. All diese Faktoren können dazu beitragen, dass Frauen in der Follikelphase durch den steigenden Östrogenspiegel selbstbewusster im Training auftreten und einen guten Zugriff auf ihr vorhandenes Kraftpotenzial haben. Um sich diesen Effekt zu Nutze zu machen, sind schwere und intensive Krafteinheiten besonders in der frühen Follikelphase sinnvoll. Ein Belastungsgefüge für ein intensives Training mit schweren Grundübungen könnte beispielsweise so aussehen:

  • Reizintensität (Gewicht): 90 % – 95 % 1 RM
  • Reizdauer (Wiederholungsanzahl) 1-3
  • Reizdichte (Satzpausen) 2-5 Minuten
  • Reizumfang (Satzanzahl) 3-5

Östrogen unterstützt zusätzlich den Muskelaufbau

Da Östrogen eine anabole Funktion auf den Körper hat, werden ihm auch muskelaufbauende Eigenschaften nachgesagt. Das liegt zum Großteil daran, dass die Produktion von Eiweißen durch Östrogen unterstützt wird und dies zu Gunsten der Muskelhypertrophie, also dem Muskelwachstum, ausfällt. Eine Studie aus dem Jahr 2014, die einen Vergleich zwischen Follikelphasen-basiertem Krafttraining zu Lutealphasen-basiertem Krafttraining gezogen hat, konnte feststellen, dass Kraftzuwachs und Muskelwachstum größer waren, wenn die Probandinnen das Training in der ersten Zyklusphase durchgeführt haben3. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Krafttraining in der Follikelphase einen größeren Effekt haben könnte als in der Lutealphase. In der Praxis bietet es sich also an, in der ersten Zyklusphase viele (intensive) Einheiten einzuplanen, da der Körper von der erhöhten Proteinsynthese, also der Einlagerung von Proteinen in die Muskelzellen, profitiert.

Eisprungphase 

Obwohl der Eisprung genau genommen nur an einem einzigen Zyklustag stattfindet, sollten besonders in den Tagen davor und danach einige Anpassungen im Training vorgenommen werden. Grund dafür ist, dass der Körper während der fruchtbaren Tage am verletzungsanfälligsten ist. Die hohe Östrogenkonzentration kurz vor dem Eisprung hat einen negativen Einfluss auf die Gelenkstabilität. Besonders beim Training im Freihantelbereich sollte daher ein gutes Aufwärmprogramm eingeplant werden. Neben einer globalen Aufwärmung, die das Herz-Kreislaufsystem aktiviert (z.B. kurze Einheit auf dem Laufband oder Rad), darf eine lokale Aufwärmung nicht fehlen. Am besten geeignet sind dynamische Dehnübungen oder Beweglichkeitsübungen, gefolgt von Aufwärmsätzen mit ca. 50 % des Arbeitsgewichts. So werden die Zielmuskulatur wie auch Bänder und Sehnen optimal auf die bevorstehende Belastung vorbereitet. Alternativ können die Übungen auch am Gerät ausgeführt werden, z.B. statt freier Kniebeuge lieber am Hackenschmidt-Gerät trainieren oder den Kabelturm Latzug an der Maschine ausführen.

Der Eisprung ist nicht immer das Leistungshoch im Zyklus

Mit dem Anstieg des Hormons Östrogen wird auch die Freisetzung von Prolaktin stimuliert. Es gibt Hinweise darauf, dass Prolaktin eine Rolle bei Entzündungsprozessen im Körper spielt. Was bedeutet das nun für das Krafttraining? Im Falle eines Muskelkaters entstehen Mikrorisse im Muskelgewebe, welche ebenfalls zu einer Entzündungsreaktion im Muskel führen. Bei unzureichender Regeneration kann längerfristig eine erhöhte Anfälligkeit für Verletzungen sowie für Schmerzen entstehen, welche auch in verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit resultieren kann. Bei der Trainingsplanung macht es also durchaus Sinn, im Hinterkopf zu behalten, dass Frauen um ihren Eisprung herum eventuell besonders Wert auf ausreichende Regeneration legen sollten. 

Lutealphase

Die Lutealphase beginnt direkt nach dem Eisprung. Sie lässt sich gut an der Temperaturhochlage erkennen, welche durch das Hormon Progesteron bewirkt wird. Bei vielen Frauen ist die Lutealphase mit verschiedenen körperlichen Symptomen wie Müdigkeit, Stimmungsschwankungen (durch Abfall an Serotonin) und verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit verbunden. Die Prävalenz vom PMS variiert von Studie zu Studie, jedoch leiden schätzungsweise bis zu 85 % der menstruierenden Frauen gelegentlich unter Symptomen. Während die Follikelphase als sehr stressresistente Phase gilt, reagiert der Körper in der Lutealphase eher sensibel auf Stress. Viele Trainingsempfehlungen, die aus Untersuchungen abgeleitet wurden, legen also nahe, hier einen geplanten Deload einzulegen. 

Wie sieht ein Deload aus? 

Grob gesagt ist ein Trainings-Deload die vorübergehende Reduzierung der Trainingsbelastung. Dabei werden entweder der Trainingsumfang, die Trainingsintensität oder beides verringert. Ziel ist es, dem Körper die Möglichkeit zu geben, sich von einer intensiven Trainingsbelastung zu erholen. Ein Deload ist jedoch nicht zu verwechseln mit einem vollständigen Trainingsabbruch! Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen Deload durchzuführen.

Variante 1: Betonung auf der Reduktion des Arbeitsgewichts

  • Reizintensität (Gewicht): 55 % – 60 % 1 RM2
  • Reizdauer (Wiederholungsanzahl) 8-12
  • Reizdichte (Satzpausen) 60-90 Sekunden
  • Reizumfang (Satzanzahl) 3-4

Variante 2: Betonung auf der Reduktion des Trainingsumfangs einer einzelnen Einheit

  • Reizintensität (Gewicht): 75 % 1 RM2
  • Reizdauer (Wiederholungsanzahl) 8-12
  • Reizdichte (Satzpausen) 60-90 Sekunden
  • Reizumfang (Satzanzahl) 2-3

Auch die Gesamtzahl der Trainingseinheiten pro Woche kann reduziert werden.

Wirkt Progesteron wirklich muskelabbauend?

Oft werden Progesteron katabole, also muskelabbauende Eigenschaften nachgesagt. Das liegt daran, dass Progesteron durch die Hemmung des mTOR Signalweges4  auch eine Verminderung der Proteinsynthese bewirken kann. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass  keine Muskulatur aufgebaut werden kann! Auch Krafttraining kann mTOR Enzyme aktivieren und die Proteinsynthese anregen. Kombiniert mit der richtigen Ernährung kann so dem Muskelabbau entgegengewirkt werden. 

Worauf sollte ich beim zyklusbasierten Krafttraining während der Lutealphase achten? 

Progesteron scheint außerdem einen Anteil an der Regulierung von Bewegungsabläufen zu haben, indem es die Aktivität von Dopamin- und GABA-Rezeptoren im Gehirn erhöht und dadurch die motorische Kontrolle verbessert. Im Krafttraining profitieren Frauen besonders bei Übungen im Freihantelbereich von einer guten Bewegungskontrolle. Wer beispielsweise Olympisches Gewichtheben trainiert – also Reißen (engl. Clean) und Stoßen (engl. Clean and Jerk) – kann die Technikeinheiten gut in die Lutealphase legen. Aber auch andere Übungen, die ein hohes Maß an motorischer Kontrolle erfordern, sind jetzt passend: Turkish Get Ups mit der Kettlebell, Ausfallschritte mit Kurzhanteln, Single Arm Military Press, Dips, Liegestütze und Klimmzüge etc.

Jetzt durchstarten

Wie du sehen kannst, gibt es viele Ansatzpunkte, ein Training zyklusbewusst zu gestalten. Im Vordergrund steht dabei stets die Individualität. In ihrer Arbeit als Trainerin wirft Jennifer Gutwald daher einen Blick auf das große Ganze! Ihr ist es besonders wichtig, dass deine Bedürfnisse, Voraussetzungen und Ziele in der Trainingsplanung an erster Stelle stehen. Sie betreut Athletinnen, die ambitioniert mit zyklusbasiertem Krafttraining durchstarten wollen, aber auch Personen, die unter Zyklusbeschwerden leiden und ein ganzheitliches Konzept zur Heilung suchen.

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Glossar

1 Als Unterstützung für schwere Lifts nutzen viele Personen gerne zusätzlich ein Gewichthebegürtel, welcher um die Taille getragen wird und die Rumpfmuskulatur unterstützt. Der Gürtel wird sehr eng getragen, um die Wirbelsäule zu stabilisieren und erhöht bei korrekter Atmung den atemabhängigen Druck innerhalb der Bauchhöhle (intraabdominalen Druck). 

2 1 RM (One-Repetition-Maximum) entspricht dem Gewicht, das du mit maximalem Kraftaufwand genau 1 Mal bewegen kannst.

3 Sung et al. Effects of folliciular versus luteal-phase based strength training in young women. Springerplus. 2014 Nov 11;3:668. doi: 10.1186/2193-1801-3-668.

4 mTOR ist ein Enzym, das Proteine aktiviert und daher eine wichtige Rolle im Muskelaufbau spielt.

Literatur

Chidi-Ogbolu, N., & Baar, K. (2019). Effect of Estrogen on Musculoskeletal Performance and Injury Risk. Frontiers in Physiology9https://doi.org/10.3389/fphys.2018.01834

Dam, T. V., Jensen, L., Sevdalis, V., Bibby, B. M., De Jonge, X. a. K. J., Gravholt, C. H., & Hansen, M. (2022b). Muscle Performance during the Menstrual Cycle Correlates with Psychological Well-Being, but Not Fluctuations in Sex Hormones. Medicine and Science in Sports and Exercise54(10), 1678–1689. https://doi.org/10.1249/mss.0000000000002961

Dehnavi, Z., Jafarnejad, F., & Kamali, Z. (2018). The Effect of aerobic exercise on primary dysmenorrhea: A clinical trial study. Journal of Education and Health Promotion7(1), 3. https://doi.org/10.4103/jehp.jehp_79_17

De Jonge, X. a. K. J. (2003). Effects of the Menstrual Cycle on Exercise Performance. Sports Medicine33(11), 833–851. https://doi.org/10.2165/00007256-200333110-00004

Martínez-Fortuny, N., Alonso-Calvete, A., Da Cuña Carrera, I., & Abalo-Núñez, R. (2023). Menstrual Cycle and Sport Injuries: A Systematic Review. International Journal of Environmental Research and Public Health20(4), 3264. https://doi.org/10.3390/ijerph20043264

Pereira, H., Larson, R. D., & Bemben, M. G. (2020c). Menstrual Cycle Effects on Exercise-Induced Fatigability. Frontiers in Physiology11https://doi.org/10.3389/fphys.2020.00517

Tenan, M. S. (2017). Sex Hormone Effects on the Nervous System and their Impact on Muscle Strength and Motor Performance in Women. https://doi.org/10.1007/978-3-319-44558-8_4

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