Der weibliche Orgasmus ist ein faszinierendes und komplexes Phänomen, das sowohl körperliche als auch emotionale Aspekte umfasst. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Phasen des Orgasmus, was genau im Körper der Frau passiert und wie sich diese Erfahrungen auf die Gesundheit auswirken können. Zudem decken wir Orgasmus-Mythen auf und beleuchten spannende Fakten rund um die Fruchtbarkeit und das Schwanger werden – auch ohne Orgasmus.
Das Wichtigste in Kürze:
- Es gibt vier verschiedene Orgasmusphasen
- Frauen können auch ohne Orgasmus schwanger werden
- Orgasmen sind immer klitoral
- Der weibliche Orgasmus ist für die Wissenschaft immer noch rätselhaft
Die vier Phasen des weiblichen Orgasmus
Bis es schließlich zum Gipfel der Lust kommt, durchläuft unser Körper immer die gleichen Phasen. Erfahre, was während der vier Phasen des Orgasmus in unserem Körper passiert, welche Hormone ausgeschüttet werden und wie wir uns dabei fühlen.
1. Erregungsphase
Die Erregungsphase ist Teil des Vorspiels und kann ganz unterschiedlich lang sein. Das ist von Frau zu Frau sehr individuell. Während einige diese Phase eher schnell „durchlaufen“, benötigen andere wiederrum mehr Zeit, um sich vollends fallen zu lassen. In der Erregungsphase wird zuallererst die Vagina feucht. Diese Scheidenflüssigkeit wird bei sexueller Erregung von den Scheidenwänden produziert und dient als natürliches Gleitmittel. Zusätzlich schwellen Klitoris und Vulvalippen an, die Brustwarzen stellen sich auf und auch Puls und Blutdruck steigen.
Gut zu wissen: Die vaginale Feuchtigkeit kann während der Erregungsphase variieren und wird stark von der jeweiligen Zyklusphase beeinflusst. Hormone spielen auch bei der Regulierung der vaginalen Feuchtigkeit eine entscheidende Rolle.
2. Plateauphase
In der Plateauphase steigen Puls, Atemfrequenz und Blutdruck weiter an. Gleichzeitig spannen sich auch die Muskeln von Beckenboden und Vagina an. Jetzt versteift sich auch die Klitoriseichel und richtig sich auf, ganz ähnlich wie bei einem Penis. Die äußeren Schamlippen weiten sich und werden zunehmend mehr durchblutet. Diese Phase dauert nur wenige Minuten, denn die Erregung hat jetzt bereits eine gewisse Höhe, also ein Plateau, erreicht. Auch die kleinen Schamlippen färben sich nun intensiver und schwellen weiter an. Außerdem vergrößern sich die Brüste und die Vagina sondert durch die sogenannte Bartholin-Drüsen ein Sekret ab, das es dem Penis erleichtert, hineinzugleiten.
3. Orgasmusphase
Jetzt kommt es zum Höhepunkt – ein rauschhafter Zustand und gleichzeitig ein riesiges Glücksgefühl! Während des weiblichen Orgasmus sorgen Hormone wie Adrenalin, Östrogen, aber auch Testosteron dafür, dass sich die Muskeln im Beckenbodenbereich, in Gebärmutter und Vagina mehrfach rhythmisch zusammenziehen. Auch Atemfrequenz, Puls und Blutdruck haben ein Maximum erreicht. Jetzt werden große Mengen von den Glückshormonen Dopamin und Endorphin ausgeschüttet, die den Körper wie eine Welle durchfluten. Die Intensität des Orgasmus kann übrigens variieren und ist von vielen körperlichen und emotionalen Faktoren abhängig. Das nun freigesetzte Kuschelhormon Oxytocin sorgt gleichzeitig für eine noch stärkere Bindung zum Partner oder zur Partnerin. Bei Frauen kann der Orgasmus von einigen Sekunden bis zu einer Minute andauern. Im Vergleich zu Männern können Frauen mehrere Orgasmen hintereinander erleben.
Gut zu wissen: Einige Frauen können auch ejakulieren. Bei höchster sexueller Erregung sondern sie tröpfchenweise Sekret aus den sogenannten Skene-Drüsen ab. Diese Drüsen sitzen in einem schwammartigen Gewebe um die Harnröhre herum. Und weil das Sekret dem der männlichen Prostata ähnelt, werden sie auch als „weibliche Prostata“ bezeichnet. Der Bereich schwillt bei Erregung an und wird umgangssprachlich auch als G-Punkt bezeichnet.
4. Entspannungsphase
Die Entspannungsphase beschreibt die Zeit direkt nach dem Orgasmus. Jetzt schwellen Vulvalippen und Klitoris langsam wieder ab und alle Muskeln entspannen sich wieder. Auch Puls, Atemfrequenz und Blutdruck normalisieren sich. Während die Rückbildung der Vagina nach etwa 15 Minuten abgeschlossen ist, kann das Abschwellen von Vulvalippen und Klitoris sogar bis zu drei Stunden dauern. Der Spiegel des Hormons Prolaktin steigt aufs Doppelte, wodurch man sich zusammen mit dem ausgeschütteten Oxytocin angenehm entspannt fühlt.
Gut zu wissen: Manchmal kann es jetzt aber auch zu einem unerwarteten Umschwung der Gefühle kommen: die sogenannte postkoitale Dysphorie könnte der Grund sein. Sie äußert sich durch eine unerklärliche Traurigkeit, Betrübtheit, Beklemmung und Irritiertheit nach ansonsten befriedigendem, einvernehmlichem Sex. Hier erfährst du, wie es dazu kommt:
Schwanger werden ohne Orgasmus – geht das?
Ja, Frauen können auch ohne Orgasmus schwanger werden. Lange wurde jedoch angenommen, dass Frauen ohne einen Orgasmus auch nicht schwanger werden können. Zugrunde liegt die Annahme, dass beim Orgasmus die Kontraktionen der Gebärmutter unabdingbar für den Transport der Spermien zur Eizelle sind. Das ist ein Mythos.
Wie die Eizelle die Spermien anlockt
Vielmehr hilft auch die Eizelle aktiv mit! Israelische Forscher haben herausgefunden, dass es zur Zeit des Eisprungs einen winzigen Temperaturunterschied entlang des Eileiters gibt. Die Spermien ändern wiederum ihre Richtung je nach Temperaturgefälle und streben ins Warme. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Eizelle zusätzlich spezifische Lockstoffe sendet, um den Spermien den richtigen Weg zu zeigen und sie anzulocken. Je näher die Samenfäden am Ziel sind, desto höher wird die Konzentration dieses Lockstoffs. Demzufolge werden die Samenfäden von einer Art Navigationssystem zur Eizelle geleitet.
Schwanger werden – trotz Orgasm Gap
Die Wahrheit ist also, dass Frauen auch ohne Orgasmus schwanger werden können. Das ist evolutionsbedingt auch wichtig, denn wenn man den „Gender Orgasm Gap“ im Blick hat, stünde es schlecht um den Nachwuchs. Die sogenannte Orgasmuslücke besagt, dass bei heterosexuellem Sex Frauen deutlich weniger zum Orgasmus kommen als Männer. Einem Forschungsüberblick zufolge haben demnach nur 65% der Frauen in heterosexuellen Beziehungen Orgasmen, während es bei Männern 95% sind. Das liegt vor allem daran, dass viele Frauen durch alleinige Penetration nicht zum Höhepunkt kommen. Der Grund könnte sein, dass das Innere der Vagina vergleichsweise unempfindsam ist und viele Frauen klitorale Stimulation brauchen, um zum Höhepunkt zu kommen.
Auf das Schwangerschaftspotenzial hat dies jedoch keinen Einfluss, obwohl natürlich auch Sex in der Kinderwunschzeit Spaß machen sollte! Fakt ist: Frauen können auch ohne Orgasmus bei ungeschütztem vaginalen Sex schwanger werden. Vorausgesetzt, der Mann kommt zum Höhepunkt und die fruchtbare Phase wurde gut „getroffen“. Wie ihr mit OvulaRing nie wieder deine fruchtbaren Tage verpasst und schneller schwanger werden kannst, erfährst du hier:
Vaginaler und klitoraler Orgasmus – Mythos oder Wahrheit?
Dass es vaginale und klitorale Orgasmen gibt, ist ein weitverbreiteter Mythos. Die Wahrheit ist: Eigentlich sind alle Orgasmen der Frau klitorale Orgasmen. Der Begriff vaginaler Orgasmus wird in der Regel verwendet, wenn eine Frau durch reine Penetration zum Höhepunkt kommt. Aber auch hier ist die Klitoris beteiligt! Inzwischen ist bekannt, dass die Klitoris weitaus größer ist, als früher angenommen. Nur der allerkleinste Teil, die Klitoriseichel, ist äußerlich sichtbar. Der weitaus größere Teil liegt im Körperinneren verborgen. Zur Klitoris gehören so auch etwa 9 cm große Schwellkörper, welche die Vagina schenkelseitig umschließen und bei sexueller Erregung anschwellen. Bei der Penetration werden sie dann indirekt stimuliert, was bei einigen Frauen einen Orgasmus auslöst (früher: vaginaler Orgasmus). Andere Frauen wiederrum erleben Orgasmen eher durch die Stimulation der Klitoriseichel (früher: klitoraler Orgasmus). Die Klitoris ist aber in jedem Fall beim weiblichen Orgasmus mit beteiligt, weshalb der Begriff vaginaler Orgasmus irreführend ist.
Gut zu wissen: Ganze 8.000 Nervenendigungen machen die Klitoris sensibler als die Zunge und auch sensibler als den Penis! Die Klitoris ist ein wahres Super-Organ. Kein anderes Körperteil ist so empfindsam wie sie!
Warum Orgasmen gesund sind
Egal, ob beim Solo-Sex oder mit einem Partner/einer Partnerin: Orgasmen sind gesund! Sie reduzieren Stresshormone und fördern so Entspannung, verbessern den Schlaf, stärken die Beckenbodenmuskulatur, boostern das Immunsystem und können durch die ausgeschütteten Hormone sogar Schmerzen lindern (z.B. Periodenschmerzen oder bei Migräne).
Studien zeigen außerdem, dass regelmäßige Orgasmen das Risiko für Bluthochdruck verringern können. Außerdem wird beim Orgasmus auch die Durchblutung der Haut gefördert, was für ein besseres Hautbild sorgt und uns strahlen lässt – der Orgasm-Glow! Nicht zuletzt kann uns Sex auch ins Schwitzen bringen und körperlich fit halten. So steigen Atemfrequenz, Puls und Blutdruck ähnlich wie bei einem leichten Cardo-Training an. Welches Workout kann schöner sein?
Ausblick
Das Phänomen und die Komplexität des weiblichen Orgasmus ist noch nicht ansatzweise vollständig erforscht. Evolutionsbiologinnen rätseln weiter darüber, warum es ihn überhaupt gibt. Auch konnten Sexualwissenschaftlerinnen noch nicht entschlüsseln, ob es mehrere Arten weiblicher Orgasmen gibt, warum manche Frauen gar nicht zum Höhepunkt kommen können und vieles mehr. Bisher wurden neun verschiedene erogene Zonen im weiblichen Genitalbereich entdeckt, sodass viele Forscher*innen inzwischen von einem „klitoralen Komplex“ ausgehen. Demnach sind immer verschiedene erogene Zonen gleichzeitig beteiligt, um das lustvolle Hochgefühl zu erzeugen. Einig ist sich die Wissenschaft allein darüber: Orgasmen sind gesund und können lebensverlängernd wirken – egal, ob beim Solo-Sex oder beim gemeinsamen Liebesspiel!
Quellen
- Hughes C. 2021. Yale researchers investigate sex differences in pain treatment outcomes. https://yaledailynews.com/blog/2021/10/01/yale-researchers-investigate-sex-differences-in-pain-treatment-outcomes/
- Kretz S. 2015. In: GEO Kompakt Nr. 43: Sex. https://www.geo.de/wissen/der-orgasmus—wie-frauen-und-maenner-ihn-erleben-30170808.html
- Michigan State University. MSU Today. 2016. Is sex in later years good for your health? https://msutoday.msu.edu/news/2016/is-sex-in-later-years-good-for-your-health
- Lastella M et al. 2019. Sex and Sleep: Perceptions of Sex as a Sleep Promoting Behavior in the General Adult Population. In: Frontiers of Public Health. DOI:10.3389/fpubh.2019.00033
- Pastor Z. 2013. Female ejaculation orgasm vs. coital incontinence: a systematic review. In: J Sex Med. Jul;10(7):1682-91.
- Wildermuth V. 2023. Auf dem Weg zur Zeugung. In: Deutschlandfunk online. https://www.deutschlandfunk.de/auf-dem-weg-zur-zeugung-100.html