Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) ist eine systemische Erkrankung, das heißt, sie kann sich auf verschiedene Organsysteme auswirken. Bauchkrämpfe und Durchfall sind daher nicht ausschließlich die typischen Symptome einer Zöliakie. Heute überwiegen sogenannte extraintestinale Symptome, Beschwerden, die sich überall, nur nicht im Magen-Darm-Trakt zeigen. Ein Erscheinungsbild betrifft die Fortpflanzung und führt zu unerfülltem Kinderwunsch: Von verspätetem Einsetzen der Regelblutung in der Pubertät oder späterem Ausbleiben der Periode (Amenorrhoe) über wiederholte Früh- und Fehlgeburten bis hin zu ungewollter Kinderlosigkeit reicht das Spektrum einer Zöliakie, aber nur, wenn sie unentdeckt bleibt. Wird die Zöliakie diagnostiziert und betroffene Frauen stellen daraufhin ihre Ernährung um, nimmt auch ihre Fruchtbarkeit zu und eine Schwangerschaft kann ganz beschwerdefrei verlaufen.
Hintergrund: Was genau ist Zöliakie (Glutenunverträglichkeit)?
Zöliakie ist eine chronische Systemerkrankung, die auf einer lebenslangen Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten, bzw. der Unterfraktion Gliadin beruht. Gluten/Gliadin kommt in den Getreidearten Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, in handelsüblichem Hafer sowie in den alten Weizensorten Einkorn und Emmer vor. Bei Zöliakiebetroffenen führt die Zufuhr von Gluten zu einer Entzündung in der Darmschleimhaut. Dies hat zur Folge, dass sich die Darmzotten zurückbilden. Da sich die Oberfläche des Dünndarms verringert, können auch nicht mehr genügend Nährstoffe aufgenommen werden. So entstehen im Laufe der Erkrankung Nährstoffdefizite, die eine Reihe der beschriebenen Beschwerden auslösen können. Manche der Krankheitszeichen entstehen aber vermutlich auch durch entzündliche Prozesse im Körper und unabhängig von Nährstoffdefiziten. Da sich die Zöliakie nicht nur auf den Darm beschränkt, wird sie eher als Erkrankung des gesamten Körpers, also als Systemerkrankung angesehen.
Krankheitsausbruch von Zöliakie
Grundsätzlich ist ein Ausbruch der Erkrankung in jedem Lebensalter möglich. Allerdings werden zwei Häufigkeitsgipfel beobachtet: Der erste liegt zwischen dem 1. und dem 8. Lebensjahr, der zweite zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr. Bei der Zöliakie spielen erbliche Faktoren eine sehr wichtige Rolle, aber auch das Immunsystem, Infektionen, die Ernährung und Umweltfaktoren scheinen die Entwicklung der Krankheit zu beeinflussen. Bei manchen genetisch vorbelasteten Frauen kann eine Zöliakie auch erst durch die körperlichen und hormonellen Veränderungen, die in der Schwangerschaft auftreten, ausbrechen. Auftretende Beschwerden wie Gewichtsverlust, Durchfall, Bauchkrämpfe oder auch Depression während der Schwangerschaft sollten immer ernst genommen und nicht einfach nur auf die neue Lebenssituation geschoben werden.
Verminderte Fruchtbarkeit durch Zöliakie
Bleibt ein Kinderwunsch über längere Zeit unerfüllt, ist dies für die Betroffenen sehr belastend. Auch eine unerkannte Zöliakie kann hierfür die Ursache sein. So weisen rund 20-50% der von Zöliakie Betroffenen keine klassischen Symptome wie z.B. Durchfall oder Blähungen auf, sondern haben vielfältige untypische Beschwerden. In diesen Fällen bleibt die Glutenunverträglichkeit häufig unentdeckt! Bei vielen Frauen wird schließlich erst aufgrund ihrer Unfruchtbarkeit oder durch Probleme in der Schwangerschaft die Zöliakie diagnostiziert.
Mögliche erste Hinweise auf eine verminderte Fertilität durch eine unbehandelte Zöliakie sind z.B. ein unregelmäßiger Zyklus sowie ein vergleichsweise hohes Alter beim Einsetzen der Regelblutung in der Pubertät. Allerdings stellen diese Symptome kein sicheres Anzeichen dar. Fakt ist auch: Die medizinischen Hintergründe für die verminderte Fruchtbarkeit und das erhöhte Risiko von Fehlgeburten in Verbindung mit Zöliakie sind noch nicht abschließend geklärt. Ausschlaggebend dürfte jedoch der mit einer unbehandelten Zöliakie einhergehende Nährstoffmangel durch eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut sein. Andere Gründe können ein Mangel an bestimmten Nährstoffen sein, z.B. Folsäure, Eisen, Protein, Vitamin B6 und B12, Vitamin E, Vitamin K, Selen und Zink. Es wird aber auch diskutiert, dass die Antikörper, die bei einer Zöliakie erhöht sind (IgA-Transglutaminase-Antikörper) die Plazentafunktion nachteilig beeinflussen können.
Übrigens: Auch bei Männern kann eine unentdeckte Zöliakie zu Unfruchtbarkeit führen. Wird die Ernährung nach der Diagnostik umgestellt, erhöht sich jedoch auch die Fertilität beim Mann.
Diagnostik der Glutenunverträglichkeit
Bei lang anhaltendem unerfüllten Kinderwunsch oder wiederholt auftretenden Fehlgeburten sind medizinische Tests zur Diagnose einer Zöliakie erforderlich. Dabei ist es wichtig, die Ernährung vor der Diagnostik nicht auf eigene Faust umzustellen. Liegt der Verdacht auf eine Unverträglichkeit vor, werden Bluttest und Dünndarmbiopsie bei gleichbleibender glutenhaltiger Ernährung durchgeführt, andernfalls ist eine sichere Diagnostik nicht gewährleistet. Erst nach positivem Befund soll die Ernährung umgestellt werden. Ist die Frau bereits schwanger, wird mit Absprache des Arztes empfohlen, bei positivem Antikörperbefund im Blut die Ernährung zunächst auf glutenfrei umzustellen und die Biopsie erst nach dem Stillen und nach einer erneuten Glutenbelastung durchzuführen, um mögliche Komplikationen durch die Biopsie in der Schwangerschaft auszuschließen.
Glutenfrei in der Schwangerschaft
Viele Zöliakiebetroffene sind besorgt, dass eine glutenfreie Ernährung während der Schwangerschaft ihrem ungeborenen Kind schaden könnte. Doch ganz im Gegenteil: Werdende Mütter, die von Zöliakie betroffen sind, sollten besonders auf eine strikt glutenfreie Ernährung achten. Wiederholte Diätfehler können die Dünndarmschleimhaut erneut schädigen und zu einem für Mutter und Kind schädlichen Nährstoffmangel führen. Die gute Nachricht: Bei einer ausgewogenen glutenfreien Ernährung stellt eine Glutenunverträglichkeit kein Hindernis für eine unkompliziert verlaufende Schwangerschaft dar, wie die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V. (DZG) betont. Nur so kann der Dünndarm der werdenden Mutter gesund bleiben und alle für die Entwicklung des ungeborenen Kindes wichtigen Nährstoffe aufnehmen. Problematisch ist eine Zöliakie in der Schwangerschaft nur, wenn sie unentdeckt bleibt und so keine glutenfreie Ernährung eingehalten wird. Für gesunde Schwangere bringt eine glutenfreie Ernährung übrigens keine Vorteile. Wenn du Sorge hast, an unentdeckter Zöliakie zu leiden, lass dich bitte umfassend von deinem Arzt dazu beraten!
Referenzen
Deutsche Zöliakie Gesellschaft e.V.: Das Krankheitsbild Zölliakie.
Mein Allergie Portal: Kinderwunsch – unerkannte Zöliakie kann Fruchtbarkeit mindern.
Glutenfrei in der Schwangerschaft. In: Gluten Free. Das Magazin für ein genussvolles Leben ohne Weizen und Gluten; 10: 2020. p.38 f. glutenfrei-magazin.de