Und was verdienst du?

Gender Gap Blog OvulaRing

Lesedauer

ca. 5 Minuten

Datum

Vor zwei Tagen, am 17.3.2020, war Equal Pay Day. Er markiert symbolisch den geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied, der laut Statistischem Bundesamt aktuell 21% in Deutschland beträgt und seit Jahren nicht geschrumpft ist. Schon 1995 lag es bei 21%! Ein wichtiger Grund für uns, die Gründe der Lohnunterschiede von Männern und Frauen heute noch einmal genauer zu beleuchten.

Ursprung der Equal Pay Day Kampagne

Entstanden ist der Tag für gleiche Bezahlung in den USA. Die amerikanischen Business and Professional Women (BPW) schufen 1988 mit der „Red Purse Campaign“ ein Sinnbild für die roten Zahlen in den Geldbörsen der Frauen. Diesen Gedanken griff BPW Germany auf und startete 2007 die Initiative „Rote Tasche“, die den Grundstein für die bundesweite Einführung des Equal Pay Day legte.

Ungleichheit im gesamten Erwerbsleben

Dass Frauen in Deutschland derzeit im Schnitt 20% weniger als Männer verdienen, greift zu kurz, wie Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Freien Uni Berlin betonen. Sie haben im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung die Einkünfte eines Erwerbslebens verglichen – und kommen auf völlig andere Zahlen. Demnach verdienen Frauen über das gesamte Erwerbsleben hinweg nur etwa halb so viel wie Männer. Im Westen liege das erwartete Lebenserwerbseinkommen im Schnitt bei rund 830.000 Euro für Frauen, Männer kommen auf durchschnittlich etwa anderthalb Millionen. In Ostdeutschland sei von rund 660.000 Euro für Frauen und knapp 1,1 Millionen Euro für Männer auszugehen. Wer lediglich die Differenz in den Bruttostundenlöhnen erfasse, könne die Ungleichheit im gesamten Erwerbsleben nicht darstellen. Deshalb plädiert die Arbeitsmarktexpertin Manuela Barisic für den „Gender Lifetime Earnings Gap“, der die Lücke in den Lebenserwerbseinkommen abbilde.

Gründe für das Pay Gap

Ein Teil der immensen Lohnlücke lässt sich auf sogenannte strukturelle Unterschiede zurückführen. Viele Frauen erlernen (soziale) Berufe, die schlechter bezahlt sind. Sie werden z.B. weiterhin öfter Erzieherinnen, Altenpflegerinnen und Friseurinnen als Männer. Frauen wählen diese Berufe nicht aus Naivität, sondern weil sie gut in der Ausübung des Berufes sind und ihrer Berufung folgen möchten. Allerdings beeinflussen auf der anderen Seite nach wie vor auch gängige Rollenstereotype die Berufswahl von Frauen. Es ist also ein Unterschied, ob Mädchen von Familie und Gesellschaft in diese Berufe gedrängt werden oder ob sie diese freien Herzens und nach reichlicher Überlegung wählen.  Aber das Entscheidende ist: Deutschland benötigt dringend eine Aufwertung sozialer Berufe und einen Mindestlohn, der zum Leben reicht! Fakt ist auch: Frauen arbeiten seltener in Führungspositionen und häufiger in Teilzeit oder in Minijobs. Doch selbst, wenn man diese Faktoren herausrechnet und sich Frauen und Männer anschaut, die in der gleichen Branche und gleichen Position gleich viel arbeiten, dann ergibt sich in Deutschland immer noch eine nicht zu erklärende Lohnlücke von 6%.

Kindererziehung ist Frauensache?

Die Erziehung von Kindern und Pflege von Angehörigen führt immer zu einer Minderung des Lebenseinkommens – aber fast ausschließlich bei Müttern und so gut wie nicht bei Vätern. Denn hauptsächlich Mütter nehmen sich eine Auszeit vom Arbeitsmarkt. Zudem ist „Teilzeit“ für Frauen im Haupterwerbsalter zwischen 30 und 50 Jahren die dominante Erwerbsform. Männer hingegen arbeiteten in dieser Phase mehrheitlich in Vollzeit. Diese „Fehlzeiten“ und darauf folgende Einstiegshemmnisse haben lang nachwirkende Einbußen bei Lohn- und Einkommensentwicklung zur Folge, was sich bis in die Rentenphase niederschlägt.

Alle Bildungsschichten betroffen

Die Unterbezahlung von Frauen zieht sich durch alle Bildungsschichten und Arbeitsgruppen. Untersuchungen zeigen auch, dass die Löhne sinken, wenn mehr Frauen in zuvor männlich dominierte Bereiche wechseln. Informatik war früher Frauenfeld und war vergleichsweise schlecht bezahlt, jetzt ist es eine sehr gut bezahlte Männerdomäne geworden.  Würden mehr und mehr Frauen wieder in die IT Branche vorrücken, würden auch hier die Löhne wieder sinken. Der Beruf des Grundschullehrers war früher ein typischer und sehr gut bezahlter Männerberuf, mit dem der Mann als Alleinverdiener sehr gut seine Familie versorgen konnte. Nun hat sich das Blatt allerdings wieder gewendet. Grundschullehrer sind heute vor allem Frauen, was wiederrum zu sinkenden Löhnen beim Lehrerberuf führte. Eine erschreckende Entwicklung!

Fehlende Transparenz

Deutschland schneidet im Vergleich zum Rest Europas, der schon länger und entschlossener gegen Diskriminierung vorgeht, deutlich schlechter ab. Transparenz ist ein wichtiges Thema. In Gehaltsgesprächen können Frauen nur dann mehr Geld einfordern, wenn sie wüssten, was ihre männlichen Kollegen verdienen. Daran ändert auch das Entgelttransparenzgesetz nichts. Das Gesetz wurde 2017 erlassen und soll das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen. Beschäftige in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeiter können demnach Auskunft über die Gehälter ihrer Kollegen und Kolleginnen in vergleichbarer Position verlangen, auch darüber, wie das eigene Gehalt bemessen wird. Allerdings tun das sehr wenige. Zum einen, weil das Gesetz schlichtweg nicht sehr bekannt ist und zum anderen, weil das deutsche Gesetz keine Sanktionen für Unternehmen vorsieht, die gegen die Bestimmungen verstoßen. Außerdem sind die meisten Unternehmen zu klein und damit von der Auskunftspflicht ausgenommen, oder es gibt nicht genügend Männer in vergleichbaren Jobs. Auch müssten Frauen immer selbst aktiv werden und werden später schnell als „Meckertanten“ abgestempelt. Island hingegen verpflichtet die Unternehmen zu beweisen, dass sie Männer und Frauen gleich bezahlen oder dass es echte Gründe für gehaltsunterschiede gibt. Bei Verstoß drohen Bußgelder.

Über Geld spricht man nicht?

Man sollte aber über Geld sprechen! Mehr als 40% der Deutschen wissen nicht, wieviel ihr Partner verdient. Henrike von Platen, Schirmherrin der „Equal Pay Day“-Kampagne, rät: „Frauen und Männer müssten dringend anfangen, über ihr Gehalt offen zu reden, im Büro genauso wie im Freundeskreis. Und dies nicht in Frauen- oder in Männergrüppchen, sondern miteinander! Das geht nur, indem jeder Einzelne den ersten Schritt macht.“ Es gibt Studien, die zudem belegen, dass Männer und Frauen gleich häufig nach einem höheren Gehalt fragen – die Frauen jedoch bekommen seltener eine Erhöhung. Dabei verhandeln Frauen nicht schlechter als Männer. Die Ungerechtigkeit fängt verrückterweise schon beim Taschengeld von Mädchen und Jungen an: Jungs bekommen tendenziell mehr Taschengeld! Leben nur Jungs im Haushalt, bekommen sie durchschnittlich mehr Taschengeld als gleichaltrige Mädchen. Nur in Familien, in denen Mädchen und Jungs leben, geht es gerecht zu. Hier bekommen beide Geschlechter gleich viel Taschengeld.

Es liegt noch ein langer Weg vor uns, bis es zur Lohngerechtigkeit kommen wird. Notwendig sind sowohl ein Kulturwandel in den Unternehmen, als auch gesetzliche Vorgaben. Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) sagt: „Ohne sie kommen wir in Sachen Chancengerechtigkeit und Gleichberechtigung nicht voran, und wenn, dann nur im Schneckentempo. Frauen haben aber Gleichstellung im Hier und Jetzt verdient.“ Richtig!

Referenzen

https://www.equalpayday.de/startseite/

https://www.dw.com/de/equal-pay-day-f%C3%BCr-frauen-die-h%C3%A4lfte/a-52802264

Werner, Katrin. 2020. Was sie verdienen. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 62 vom 14./15. 3. 2020.

Heidenreich, Ulrike. 2020. Das Interview mit Henrike von Platen. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 56 vom 7./8.3. 2020.

Neuste
Beiträge